Mach einfach dein Ding!

Cecilia

newthinking und Endocode sind Partnerunternehmen die sich für Geschlechterbalance einsetzen. Das folgende Interview ist auf dem Blog der Endocode AG in Englisch verfügbar und wurde im Juni 2014 mit Cecilia Palmer durchgeführt. Cecilia ist Teilzeit als Web Developer bei der newthinking communications GmbH tätig und investiert den Rest ihrer Zeit in die Organisation modebezogener Projekte. Besonders diese Balance aus analogen und digitalen Formen der Arbeit macht ihr Spaß.

Cecilia, Du kommst aus Schweden: Sieht es in Bezug auf das Geschlechtergleichgewicht dort anders aus als bei uns hier?
Ich kann das Arbeiten in Schweden nicht mit dem Arbeiten hier vergleichen, weil ich dort gleich nach der Schule weggezogen bin. Aber auf einer grundsätzlichen Ebene ist es doch dort sehr anders als hier. Als ich zu Beginn der 80er geboren wurde, war es schon total normal, dass ein Vater auf Erziehungsurlaub geht, um bei seinen Kindern zu bleiben. Heute würde es wohl noch seltsamer aussehen, wenn er weiter arbeiten würde: Die Leute würden sagen „Was stimmt denn mit dem nicht?“. Es gibt zwar immer noch eine große Kluft zwischen den Geschlechtern in Schweden, aber ich denke die allgemeine Einstellung ist dort im Vergleich zu Deutschland viel weiter. Eine Hausfrau zu sein, ist fast schon ein Tabu in Schweden – aber hier gibt es sie noch immer. Deutschland ist zwar ein modernes Land, aber in Bezug auf Geschlechtergleichgewicht ist das Denken immer noch stark geprägt von den älteren Generationen.
 
Was ist Deine persönliche Erfahrung mit Geschlechtergleichgewicht in technischen Bereichen?
Ich denke, dies ist nicht nur in der technischen Szene ein Thema. Es ist mehr ein generelles „Männer/Frauen im Geschäftsbetrieb“-Ding, das in allen Arten von Projekten zu Tage tritt. Als Frau ist es nicht so, dass Menschen deine Kompetenz einfach sofort akzeptieren. Vielmehr musst du sie beweisen. Männer kommen oft ohne jeden Beweis für ihre Fähigkeiten voran, weil die Menschen annehmen, dass die schon was drauf haben werden. Ich habe beobachtet, dass Männer ihr Ding machen können, weil andere ihnen einfach glauben, dass sie hinbekommen was sie sagen. Es geht hier mehr darum, wie sie sich selbst darstellen als um ihre wirklichen Fähigkeiten. Viele Menschen haben im Detail keine ausgezeichneten Fähigkeiten, aber sie haben diese Einstellung – Frauen kommen damit seltener durch.
 
Das erinnert mich an etwas, was eine Managementtrainerin für Frauen zu mir sagte: Wenn man es verallgemeinert, verhalten sich Frauen anders als Männer.  Und die Geschäftswelt ist stark an männlichem Verhalten orientiert…
Aber das führt uns zu einem anderem Problem: Wenn Frauen das männliche Verhalten kopieren, ist das keine besonders gute Sache, denn von Frauen wird nicht erwartet sich wie Männer zu verhalten und „den gleichen Raum einzunehmen“. Du kannst das tun, wenn du in einer höheren Position bist, aber wenn du dich als Außenseiter so verhältst, wird das als arrogant und unsympathisch eingestuft. Männer nehmen sich oft mehr Raum. Sie reden mehr über die Dinge während Frauen meist erst nachdenken, bevor sie reden. Viele Männer tendieren dazu Dinge, die schon von anderen gesagt worden sind, so zu wiederholen, als wären es ihre eigenen Ideen. Frauen bringen sich eher oder erst dann ein, wenn sie etwas hinzuzufügen haben. Für Männer scheint es nicht so sehr um den Inhalt zu gehen, es geht mehr darum wieviel Raum du beanspruchst. Man kann ähnliche Dinge sehen, wenn man Männer in der Öffentlichkeit betrachtet, sagen wir mal in der U-Bahn: Man kann sehen wie viel Sitzplatz manche Männer mit ihren Beinen einnehmen. Das ist genau das gleiche in Meetings. Es geht alles darum wieviel Raum man auf verschiedene Arten einnimmt. Das fängt mit der Körpersprache an.
 
Du arbeitest in sehr verschiedenen Umgebungen: In der Mode und in der Technik, in Organisationen und in losen Gruppen. Gibt es dort eindeutige Unterschiede in Bezug auf das Geschlecht?
Diese Frage ist schwierig zu beantworten, eben weil ich in sehr verschiedenen Projekten und Situationen arbeite. In größeren Teams hat man mehr Struktur und man kann dazu gezwungen sein mit Menschen zusammenzuarbeiten, die sehr selbstverliebt sind. Das kann am Ende ganz gut funktionieren, aber bis dahin muss man durch einen andauernden Prozess der Konflikte und Scherereien gehen. Ich ziehe es vor zu arbeiten ohne mich mit diesen Dingen beschäftigen zu müssen. Wenn du dagegen keine Struktur hast, wählst du Menschen aus, mit denen du gut zusammenarbeitest. Wenn ich merke, dass ich mich selbst mehr beweisen muss, weil die anderen skeptisch sind, dann ist es wahrscheinlicher, dass ich gehe, wenn ich nicht mit diesen Menschen zusammenarbeiten muss. Auch wenn du mit einem Mann sehr gut partnerschaftlich und auf Augenhöhe zusammenarbeitest, ist er in dem Moment wieder der Ansprechpartner, wenn andere dazukommen. Das ist sehr frustrierend. Meine persönliche Taktik  ist dann: Nicht zu sehr darauf zu konzentrieren und einfach mein Ding machen! Es ist ein bisschen wie einen Regenmantel zu tragen, der solche Dinge nicht durchlässt. Ich versuche da nicht hinzuhören. Wenn du einfach deine Arbeit weitermachst, werden die anderen am Ende schon feststellen, dass sie falsch lagen.
 
Es hört sich manchmal an, als wärst Du die Reisende zwischen den Welten…
Ich bin kein Püppchen. Im Allgemeinen verbringe ich eine Menge Zeit mit Kerlen und habe auch eine Menge männlicher Freunde. Es gibt auf jeden Fall einen Unterschied zwischen Frauenfreundschaften und Freundschaften unter Männern. Es ist eine andere Kultur, die andere Wege hat miteinander zu interagieren, die ich auch sehr mag. Dinge nicht so persönlich zu nehmen, macht es vielleicht etwas einfacher für mich. Du weißt schon: Ich bin halt nicht so empfindlich, wenn‘s manchmal etwas rau wird. Du musst als Frau in einem von Männern dominierten Umfeld schon etwas zäh sein.
 
Wenn ich eine Rat geben müsste, wie man mit solchen Dingen umgeht, dann würde ich sagen: Mehr Frauen sollten einfach IT machen. Ich glaube nicht, dass es fehlendes Interesse ist, ich denke sie hören einfach zu viel auf die Männer. Meiner Meinung nach nehmen Frauen die Männer zu ernst und hören zu sehr auf das, was sie sagen. IT ist schon fast eine Geheimgesellschaft für Männer, die programmieren können, geworden. Von außen kann es aussehen, als würden sie eine hohe, dicke Mauer um sich aufbauen, damit bloß niemand ihre Erfahrung anzweifeln kann. Männer benutzen dazu oft eine Sprache der Ausschließung, indem sie eine Terminologie verwenden, die anderen automatisch das Gefühl gibt, dass sie nicht wissen über was geredet wird. Dann kannst du Menschen erzählen, was immer du willst, weil ja keiner verstehen kann über was du eigentlich redest. Es ist so unglaublich einfach durch diese Art von Sprache Macht auszuüben. Aber statt mit anderen zu reden wie mit menschlichen Wesen, reden sie mit dir wie mit einer Maschine. Das mag präziser sein, aber es ist keine gute Kommunikation. Das ist etwas, was viele Frauen draußen hält, weil es eine hohe Einstiegshürde erzeugt. Es ist ja nicht so, dass IT so kompliziert ist. Ich meine für jede Art von Fachkenntnis muss man lernen. Ich arbeite oft zwischen sehr verschiedenen Menschen und fühle mich manchmal wie ein Babelfish bzw. Übersetzer. Ich ziehe es eher vor respektvoll miteinander zu reden, weil man dann etwas erreicht.
 
In deinen Worten höre ich keine Angst. Du scheinst neugierig zu sein Neues zu lernen, auch wenn es kompliziert erscheint.
Das ist meine Motivation: Neue Dinge lernen. Immer das gleiche zu machen, finde ich sehr langweilig. Ich denke, wenn das nur genügend Frauen machen würden, würde das etwas verändern: Einfach mehr sie selber sein, tun worauf sie Lust haben, sich den Raum zu nehmen, den sie brauchen und nicht so sehr auf die Männer hören. Einfach was machen und nicht gleich beleidigt sein, wenn ein Mann etwas Komisches sagt. Um glücklich zu bleiben, braucht man eine Art raue Einstellung, die einen die Dinge nicht so persönlich nehmen lässt. Wir müssen das tun, um die Geschlechterwelt in Balance zu bringen.
 
Dieses Interview wurde von Andreas Wichmann geführt. Andreas ist Experte für Zusammenarbeit. Bei newthinking ist Andreas unter anderem als Spezialist für Open Innovation Projekte tätig. Als Gesellschafter der Endocode AG hilft er KundInnen bei Prozessen im Bereich Teamwork und Kooperation.